Donnerstag, 19. Oktober 2006

Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Wir sollten endlich aufhören, Hausfrauen und Mütter zu diffamieren.

und dies lieber mit den

selbstgerechten Karrieristinnen im Nadelstreifen

tun, die

die mich zurzeit attackieren.

Und dann beklagen wir uns in einem von Selbstmitleid triefenden Interview darüber, dass die "Feminismuskritik" nicht erwünscht sei, die wir voher mit

weiblichen Fähigkeiten wie Empathie, Verständnis, Vorsicht


an die Frau gebracht haben:

Immerhin werden die Feministinnen mit ihrem Kampf den glücklichen Umstand herbeiführen, dass in zwanzig Jahren niemand im Land mehr arbeitslos sein wird – aus Mangel an Bevölkerung.

Na also!

Ich weiss, dass mich die Aussagen einer Frau Herman nicht so beeindrucken sollten, dass sie meine Gedanken tagelang beschäftigen. Leider weiss ich auch, dass ihre romantisch verklärte Beschwörung eines nie existiert habenden Familienmodells ("Ich spreche von einer verlorenen Welt, die unseren Vorfahren jahrtausendelang Kraft und Halt gab, die Misserfolge und Enttäuschungen auffing und eine Quelle des Glücks sein konnte." - leider schreibt sie nicht, wann und wo diese Jahrtausende stattgefunden haben sollen) nicht auf taube Ohren fällt.

Sehnen wir uns nicht alle nach einem Ort, der uns Kraft und Halt gibt, Misserfolge und Enttäuschungen auffängt und Quelle des Glücks ist? Die Suche nach dem verlorenen Paradies finden wir schon in den ältesten Schriften der Menschheit. Wir finden sie in der Literatur bereits lange vor Erfindung des Buchdrucks. Wir finden sie überall dort, wo Worte geschrieben, gesagt werden.

Das Paradies selber aber finden wir nicht. Weder in der Weltgeschichte, noch in den Familienstrukturen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit, des 19. oder 20. Jahrhunderts. Die Beschreibungen, die unsere Vorfahren uns hinterlassen haben, sprechen von anderem als "einer verlorenen Welt, die unseren Vorfahren jahrtausendelang Kraft und Halt gab, die Misserfolge und Enttäuschungen auffing" . Sie sprechen von grosser Not - materiell und spirituell - von Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch, Kinderarbeit, einer hohen Kindersterblichkeit, Eltern, die sich zu Tode geschuftet haben. Überhaupt existiert das Konzept der Kindheit erst seit dem Buch Émile von Jean-Jacques Rousseau. Bezieht sich Herman also auf die Erfindung der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert, wo Kinder - sofern sie nicht in den Fabriken unter menschenunwürdigen Bedingungen für ihren Lebensunterhalt schufen mussten - von Ammen gestillt und von Kindermädchen betreut wurden?

Leider erfahren wir auch im Buch "Das Eva-Prinzip" nicht, wann und wo diese verlorene Welt, die unseren Vorfahren jahrtausendelang Kraft und Halt gab, die Misserfolge und Enttäuschungen auffing stattgefunden hat.

Jede Generation hat ihre eigenen Kämpfe auszustehen, ihre eigenen Probleme zu lösen. Die 68er-Generation kämpfte dafür, sich von der drückenden Enge der Kleinfamilie zu lösen, nach der sich Frau Herman nur eine Generation später so sehr sehnt. Jedes Gesellschaftsmodell hat seine eigenen Vor- und Nachteile, in der jeweils die einen oder anderen Menschen wohl, die einen oder anderen Menschen unwohl sind. Gesellschaftliche Veränderung kommt immer dann zustande, wenn einer Mehrheit unwohl ist.

Im Grossen und Ganzen können wir von einem gesellschaftlichen Fortschritt sprechen, davon bin ich überzeugt. Durch die Antibabypille - die übrigens, liebe Frau Herman, nicht von einer Feministin erfunden wurde, mit dem Ziel, die Familie zu zerstören - haben wir heute Optionen. Nämlich die Option, Kinder zu gebären oder nicht. Wir haben die Option, nur die Kinder zu gebären, die wir uns wünschen. Andersrum gesagt: Die Kinder haben die Option, nur dann geboren zu werden, wenn sie erwünscht sind. Haben wir uns nicht alle gewünscht, Wunschkinder zu sein?

Keiner - auch keine Emanze - hat je behauptet, dass es einfach sein würde!

Wir haben heute alle Möglichkeiten. Was wir daraus machen, ist unsere Sache. Jede Wahl hat ihre Vor- und Nachteile. Jede Entscheidung für eine Möglichkeit schliesst andere Möglichkeiten aus. Jede Entscheidung hat ihren Preis. An uns selber, unsere Wahl eigenverantwortlich zu treffen, Vor- und Nachteile abzuschätzen, und uns für einen Lebenswerg zu entscheiden. Es gibt keine Entscheidung, die für alle Menschen gleichermassen richtig wäre; Deshalb hat auch niemand das Recht, anderen vorzuschreiben, welche Wahl die richtige sei.

Nein, niemand hat gesagt, das mit der Emanzipation - im älteren Wortsinn - wäre einfach.

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